«Frau Arioli, was bewegt und motiviert Sie als Leiterin der Bühne Aarau»
Am 6. September startet für Ann-Marie Arioli die erste Saison bei der Bühne Aarau. Was sich die neue Leiterin für das Koproduktions- und Gastspielhaus vornimmt, welche Highlights auf das Publikum warten und wie sie neue Besucherinnen und Besucher für das Theater begeistern möchte, verrät sie im Interview.
Wie oft besuchen Sie selber ein Theater?
Natürlich bin ich bei vielen Vorstellungen an der Bühne Aarau anwesend. Als Koproduktions- und Gastspielhaus sind die eingeladenen Produktionen aus den Bereichen Theater, Tanz, Musiktheater, Performance, aktuellem Zirkus, Figuren- und Kinder- und Jugendtheater ja meist für wenige Vorstellungen bei uns und wir sind für sie und für das Publikum Gastgeber:innen. Und dann schaue ich mir anderswo Stücke an, um das Programm der nächsten und übernächsten Spielzeit zusammen zu stellen oder um die Entwicklungen und neuen Arbeiten von Aargauer Künstler:innen und Compagnien anzuschauen, mit denen die Bühne Aarau öfter zusammenarbeitet. Das summiert sich dann schon auf drei bis hin zu sechs oder auch mal sieben Theaterbesuchen in einer Woche.
Die Theatersaison startet am 6. September mit dem Stück «Tempest Project». Weshalb sollte man sich das Stück ansehen?
«Tempest Project» nach «Der Sturm» von Shakespeare ist die letzte Inszenierung von Peter Brook. Er ist kurz nach der Premiere in Paris mit 97 Jahren verstorben und hat bis zuletzt gearbeitet. Seine Arbeit war prägend für das freie Theaterschaffen der letzten 60 Jahre, denn er hat sich früh unabhängig gemacht, sich eine eigene Compagnie mit internationalen Schauspieler:innen aufgebaut, ist weltweit getourt und hatte mit den «Théatre des Bouffes du Nord» ein eigenes Theater betrieben. Mit dem «Sturm» hat er sich mehrmals auseinandergesetzt und diese letzte Arbeit ist eine humorvolle Essenz dieses Stückes zum Thema «Freiheit». Deshalb sollte man sich dieses Stück unbedingt ansehen. Zudem steht ein grossartiges Ensemble auf der Bühne.
Danach folgt fanfaluca, Jugend Tanz Theater Festival Schweiz. Wie wichtig ist der Nachwuchs für das Theater?
Das schweizweite Festival «fanfaluca» versammelt tolle Aufführungen, Workshops und Rahmenveranstaltungen in einer Woche in der Alten Reithalle und weiteren Orten. Zur Programmgruppe, die das Programm zusammenstellt, gehören, neben der Leitung und Künstler:innen, Jugendliche, die selbst mitentscheiden, was sie interessiert. «fanfaluca» hat also ein sehr durchdachtes Konzept für das Festival und fördert den Nachwuchs auf allen Ebenen.
Wie spannend ist es, dass dieses Festival in Aarau stattfindet?
Die Bühne Aarau leistet einen sehr grossen Beitrag zur professionellen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen im Theater: Mit drei Spielclubs ab 9 Jahren und dem Bühne Aarau Ensemble sowie vielen weiteren Projekten ist das Theater ein wichtiger Raum in Aarau und Umgebung. Ich bin davon überzeugt, dass das sich Ausprobieren im Theater für Kinder und Jugendliche wesentlich ist und ab und zu entdeckt jemand dabei auch ihre oder seine Berufung und wählt eine künstlerische Ausbildung. Aber auch für alle anderen persönlichen und beruflichen Wege ist heute das Auftreten, die Darstellung von Inhalt und ein ästhetisches Verständnis wichtig. Das Festival ist für uns eine wichtige Ergänzung zu unserem grossen Angebot an Arbeiten mit Laien, bzw. «Expert:innen des Alltags».
Gibt es etwas, worauf Sie sich in der Saison 24/25 besonders freuen?
Ich persönlich freue mich auf alle Aufführungen und je nachdem, was jemanden anspricht, gibt es unterschiedliche Empfehlungen. Im September freue ich mich noch auf den Meisterjongleur Wes Peden, der sein Bühnenbild unglaublicherweise in einem überschweren Koffer verstauen kann und der eine äusserst farbenfrohe und unterhaltsame Koryphäe auf dem Gebiet der Jonglage ist und scheinbar mühelos der Schwerkraft trotzen kann.
Welches Stück aus Ihrem Programm empfehlen Sie jemandem, der nicht so häufig das Theater besucht?
Da gibt es einige Aufführungen, die mit Sicherheit Freude machen, wie zum Beispiel eben Wes Peden, aber natürlich kann ich da auch den Tanzfaktor empfehlen, die mit fünf kurzen Tanzstücken von jungen aufstrebenden Choreograf:innen und Compagnien kurzweilig einen Einblick ins aktuelle Tanzschaffen gibt oder die beiden Abende «Jeanne d’Arppo» und «Die Schneiderin» von Gardi Hutter, die zu ihrem 40-jährigen Bühnenjubiläum ihre grossen Abende letzte Male in dieser Saison spielt – auch das ist ein Stück Theatergeschichte und sie hat damit bis heute unzählige Generationen begeistert.
Gibt es ein Publikum, das Sie in Ihrem Theater vermissen und gerne ansprechen würden? Wenn ja, wie versuchen Sie das?
Im Theater wünscht man sich immer noch mehr Publikum und sicher gibt es Publika, die uns noch nicht finden oder die wir noch nicht genügend ansprechen. Ich möchte gerne in den kommenden Jahren mehr Aufführungen in anderen Sprachen, die Menschen hier sprechen, anbieten und damit aktuelle Kultur aus verschiedenen Herkunftsländern zeigen. Und wir suchen natürlich den Kontakt mit dem vorhandenen Publikum, aber auch mit Vereinen, Initiativen und Institutionen, mit denen wir noch nicht zusammengearbeitet haben und wo wir neues Publikum fürs Theater begeistern können.
Zudem gibt es neu einen Publikumsrat, der gemeinsam ins Theater geht und anschliessend das Gesehene bespricht. In Zukunft soll dieser Rat auch bei einzelnen Programmpunkten mitreden können. Voraussetzungen braucht es dafür keine, man muss auch nicht immer dabei sein können und am Montag, 16.09. um 19.00 Uhr erzähle ich in der Bar im Stall noch etwas mehr dazu. Interessierte können einfach vorbeikommen.
Vielen Dank, für den spannenden Einblick in Ihr Schaffen.